VERFOLGT, GEFLÜCHTET, VERSCHOLLEN!

Ereignisse der Tage (nach Schilderung von Manfred Moritz):


27.03.1950 Herr Flack wurde verhaftet. In der Schule herrscht seitdem eine grosse Betroffenheit. Nach der Bestätigung der Verhaftung, erschien ein üppiger Artikel in der Thüringer Volkszeitung.
28.03.1950 Gerüchte sind im Umlauf : Es wurde bei Flack eine Pistole gefunden.
  Birkner, Hayne und Martin fehlen.
  Flugblätter wurden Überall in der Stadt aufgefunden.
30.03.1950 Hayne und Birkner sind in den Westen geflohen.
  Kurz nach ihrer Flucht, traf die Polizei in ihrer Wohnung ein und unternahm eine Hausdurchsuchung, wobei Flugblätter gefunden wurden.
  Die Schüler in der EOS „ Karl Marx “ waren dadurch sehr betroffen.
03.04.1950 Steudel, der Klassenlehrer von Manfred Moritz, ist angeblich geflohen.
19.04.1950 In der Schule von Manfred Moritz hat sich vieles verändert.
  Der Direktor Dr. Voß wurde seines Amtes enthoben und ist in den Westen geflohen.
  Der neue Direktor wird Dr. Winter.
  Steudel wurde verhaftet.
  Da der Deutschlehrer Steudel verhaftet wurde, wurde eine neue Deutsch-Lehrerin Frl. Büschel eingestellt
  Die Aufsätze, die die Klasse von Manfred Moritz bei S. Flack geschrieben hat, werden unter Verschluss gehalten.
  Vier Wochen nach Flacks Verhaftung kehrte der normale Alltag wieder ein.
  Der neue Direktor Dr. Winter übte sein Amt mit drakonischen Mitteln aus.


weitere Haftungen während dieser Zeit (aus "Einige greifen der Geschichte in die Speichen" des Historikers Enrico Heitzer)


21. März 1950 Wolfgang Ostermann wird unter einem Vorwand von zwei Herren in der elterlichen Wohnung "abgeholt" und wenig später in der sowjetischen Kommandantur in der Parkstraße verhaftet.
23. März 1950 Hans-Joachim Näther wurde gegen 23:30 Uhr in der Wohnung seiner Eltern "aufgesucht" und zur "Vernehmung abgeholt".
24. März 1950 Ulf Uhlig wird gegen 7:30 Uhr vor der Schule vom stellvertretenden Leiter der MfS Kreisdienststelle verhaftet, welches u. a. von Jörn-Ulrich Brödel beobachtet wurde. In der darauf folgenden Nacht zum 25. März 1950 wird schließlich Brödel selbst gegen 0:30 Uhr kurz bevor seiner bevorstehenden Flucht zu Hause verhaftet.



Verfolgt, geflüchtet, verschollen! Jugendwiderstand in Altenburg 1949-1950

Erst wenige Jahre nach dem Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands wurde einigen damals 13- bis 14- jährigen Schülern die Wahrheit über die jüngste Vergangenheit bewusst. Enttäuscht und misstrauisch der Gegenwart gegenüber suchten sie ihre Vorbilder in der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" der Geschwister Scholl bzw. im Buch "Die Illegalen" von Günther Weißenborn u.a.. Ihnen ging es einzig und allein um die Erlangung demokratischer Verhältnisse. Anfangs besuchten sie aus Überzeugung die Freie Deutsche Jugend (FDJ). Als diese aber anfing, sich sowohl äußerlich als auch innerlich zu uniformieren, man zum kämpferischem Patriotismus erzogen wurde, führte dies unter den Jugendlichen zu heftigen Diskussionen. Im kleinen Kreis spielte der Gedanke, was man gegen die verhängnisvolle Entwicklung tun könne, letztlich eine immer entscheidendere Rolle.

Konfrontiert mit Nachrichten von verstärkten Verhaftungen, teilweise verschwanden Menschen spurlos, und provozierenden Plakaten, wurden auch mehrere Lehrer der EOS verunsichert. Insbesondere Siegried Flack und Michael Follwatschny unterstützten und bestärkten ihre Schüler in deren kritischen Ansichten, ebenso Direktor Voss. Lehrer und Schüler arbeiteten nun gegen 1949 gemeinsam in zwei Gruppen zusammen, ohne jedoch den Umfang ihrer Tätigkeit zu kennen und zu erahnen, wobei einige Verbindungen zur KgU in Westberlin hatten. Man brachte nun Flugblätter der KgU und selbstgedruckte Handzettel mit dem Zeichen "F", als Synonym für Freiheit, an sichtbaren Stellen in Altenburg an. Beispielsweise am Gebäude der SED-Kreisleitung, am Polizeihauptgebäude oder an der Untersuchungshaftanstalt.

Den Höhepunkt der Aktionen bildete der Bau eines Senders, der aus Teilen des Schulfunks am Beginn der Weihnachtferien 1949 zusammengebaut wurde. Mit dem Ziel, die Rede Piecks zu Stalins 70. Geburtstag zu stören und sich kurz kritisch zu äußern, wurde am 21. Dezember 1949 ,aus der Wohnung von Jörn-Ulrich Brödel, gesendet. Besonders engagiert zeigten sich dabei Joachim Näther, Ulf Uhlig, Siegfried Flack, Wolfgang Ostermann und auf technischem Gebiet Gerhard Schmale. Obwohl die Reichweite der Station nur 40 km betrug , erzielte man eine beachtliche Wirkung. Spezialfahrzeuge der sowjetischen Streitkräfte fuhren auf der Suche nach der Störungsstelle durch die Stadt. Um nicht entdeckt zu werden, gingen sie kein Risiko ein. Schnell wurde der Sender in seine Einzelteile zerlegt und an verschiedenen Stellen versteckt aufbewahrt. Was aber den Erfolg der fieberhaften Suchaktion durch deutsche und sowjetische Behörden nicht verhindern konnte. Dies lag wahrscheinlich an Unachtsamkeiten und an fehlenden Kenntnissen auf konspirativem Gebiet. Am 24. und 25. März kam es zu mehreren Verhaftungen!


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